VIDP#85 – Kühe, Krieg und Kommunikation (Ukraine-Spezial mit Carlo Masala im Gespräch)
In der fünfundachtzigsten Episode unseres (des)informativen Medien-Podcasts „Voll in die Presse“ sprechen wir mit Carlo Masala über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Kampf um die mediale Deutungshoheit. Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München und einer der gefragtesten Militär- und Sicherheitsexperten Deutschlands. Wir sprechen über den – auch von Geheimdiensten geführten – Kampf um die Narrative in einem Krieg, bei dem selbst die Experten bisweilen nur Außenstehende bleiben. Welche Rolle spielen dabei die Medien – vor allem die sozialen? Was ist an der Berichterstattung, aber auch an der politischen Kommunikation problematisch? Und warum diskutieren wir seit fast zwei Jahren im Kreis?
„Das russische Militär kann diesen Krieg nicht gewinnen – und Putin kann ihn nicht verlieren.“ Carlo Masala, Professor für Internationale Politik (BW-Uni München)
Im Interview mit Prof. Masala wagen wir einen thematischen Rundumschlag. Neben dem zwangsläufigen Fokus auf den Ukraine-Krieg wagen wir auch einen kurzen Exkurs zu kriegerischen Auseinandersetzungen im Allgemeinen. Im Wasser-Spezial (VIDP#82) sprachen wir u.a. über einen „Kampf um Wasser“. Wir fragen daher, ob der Klimawandel zu neuen Kriegen führen wird. Oder ist Wasser lediglich der Tropfen, der das Fass bei bestehenden Konflikten zum überlaufen bringt? Auch dazu hat unser Gast eine klare Antwort.
Die vollständigen Shownotes mit allen Bildern und Artikel-Links findet ihr unter: www.benanza.de/2023/podcast/vidp85-kuehe-krieg-und-kommunikation-ukraine-spezial-mit-carlo-masala-im-gespraech
Geheimdienst-Narrative und Todes-Kultur
Erzählt der britische Militärgeheimdienst die Wahrheit, wenn er täglich neue Erkenntnisse auf Twitter/X veröffentlicht? Stochert er mit seinem „Probability Yardstick“ ebenfalls im Nebel? Oder verbreitet er gar gezielte Desinformation? Fest steht: In einem Krieg, den man auch als „eine Schlacht der Narrative“ sehen kann, muss die breite Öffentlichkeit die eigene Sichtweise und Erkenntnisse nachvollziehen können. Und genau hier setzt der britische Militärgeheimdienst mit seiner „Twitter-Strategie“ mit großem Erfolg an.
Markus Lanz mag kein Kriegs- oder Ukraine-Experte sein, doch auf seiner Podcast-Reise durch die Ukraine greift er auf seine Kernkompetenz zurück. Er lässt sprichwörtlich die Menschen für sich sprechen. Das dominierende Gefühl: Das Unrecht muss zurückgeschlagen werden – koste es, was es wolle. Mit dieser Erkenntnis widerspricht Lanz auch der Auffassung seines Podcast-Partners Richard David Precht, dass den Menschen eher mit einem Einfrieren des Krieges durch Verhandlung geholfen sei. Die Sorge der Menschen in der Ukraine sei, dass die Russen dennoch weiter machen, verkörpere das Land doch historisch eine Kultur des Todes.
TikTok-Krieg und Musk-Manipulation
Der Social-Media-Krieg – laut Experte Masala der erste, in dem Russland nicht die Oberhand hat – ist in vollem Gange. Dabei wirkt die Evolution der Kriegsberichterstattung stringent: Der Vietnamkrieg als erster „Fernsehkrieg“, der Erste Golfkrieg als „CNN-War“, sein Nachfolger noch ausgefeilterer mit „Embedded Journalism“ und nun der erste TikTok-Krieg. Dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt, ist eine Binse. Alle beteiligten Parteien versuchen die von ihnen favorisierte Sichtweise zu fördern. Dass die sozialen Medien ganz neue Möglichkeiten der Propaganda bieten, liegt auf der Hand. Dabei kontrollieren gerade auch die Netzwerk-Betreiber in besonderem Maße das Geschehen. Welche Aussagen werden von den Algorithmen favorisiert und an das Publikum ausgeliefert? In welchem Maße wird Propaganda mittels Fake Accounts ermöglicht? Und wie sehr beugt sich der Anbieter auch den regionalen Zensurvorgaben?
"Wenn Sie sich diesen Krieg anschauen, dann ist das auch ein Social-Media-Krieg. Und das ist meines Erachtens der erste, wo die Russen involviert sind und nicht die Oberhand haben." Carlo Masala, Professor für Internationale Politik (BW-Uni München)
Wenn zwischen Propaganda und Desinformation auch noch verwirrte, aber (einfluss-) reiche Privatpersonen mitwurschteln, ist das Chaos perfekt. So wirkte Elon Musk, dessen strategische Weitsicht nicht als gesichert gilt, eher unfreiwillig, aber wesentlich auf den Kriegsverlauf in der Ukraine ein. Als Besitzer des Satelliten-Internetdienstes „Starlink“, der für das ukrainische Militär von entscheidender Bedeutung war, soll er in einer früheren Phase des Krieges dessen Fortkommen auf der Krim stark beschränkt haben. Und zwar durch Abschalten – oder, wie er selbst sagt, Nicht-Einschalten – von „Starlink“ in der Region. Einerseits hatte er sich seine Satelliten wohl als nicht-militärischen Netflix-and-chill-Service vorgestellt und war angeblich selbst von dessen militärischem Nutzen verblüfft. Andererseits traf er sich aber zu einem Geheimgespräch mit Putin. Eine US-Senatorin bringt es auf den Punkt: Wird die US-Außenpolitik eigentlich von der Regierung oder von einem Milliardär betrieben?
Soviel zur aktuellen Lage. Wer uns kennt, weiß, dass wir seit nunmehr 85 Folgen virtuos die Lianen im Mediendschungel verknoten. Gelegentliches Niveaulimbo ist dabei Ehrensache. Denn ohne eine gehörige Portion Humor ist die heutige Medienwelt wohl kaum auszuhalten. Damit uns beim heutigen Thema nicht das Lachen – oder gar das Bier – im Halse stecken bleibt, haben wir uns ordentlich zusammengenommen und den Slapstick in der Tasche gelassen. Hat es euch gefallen? Wollt ihr mehr davon? Oder dürfen wir euch demnächst wieder mit präzise platzierten Flachwitzen versorgen? Wir sind gespannt auf euer Feedback!
Zur Person
Carlo Masala ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Professor für Internationale Politik an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München. Als Sicherheits- und Militärexperte ist er ein gefragter Gesprächspartner, Autor und Politikberater. Prof. Masala ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Politik (ZfP), der Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZIB) und der Zeitschrift für Strategische Analysen (ZfSA). Außerdem ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sowie ständiger Sachverständiger in der Enquete Kommission des Deutschen Bundestags zum Afghanistaneinsatz.
Seit 2018 ist er Co-Host des Podcasts „Sicherheitshalber“, in dem er regelmäßige Einschätzungen zur Sicherheitspolitik und aktuell insbesondere zur Lage in der Ukraine teilt. Im Oktober 2023 erscheint sein neues Buch „Bedingt abwehrbereit : Deutschlands Schwäche in der Zeitenwende“.
Über diesen Podcast
„Voll in die Presse“ „Voll in die Presse“ ist der Medienspiegel-Podcast über herrlich schräge Meldungen, Berichte und Social-Media-Posts. Ob nun kurios, peinlich oder einfach nur verrückt, wir sprechen darüber. Dabei geht es nicht nur um die Meldung als solche sondern auch um die Geschichte dahinter. Und manchmal sogar um das große Ganze. Vieles ist auf den ersten Blick lustig, manches stimmt auf den zweiten Blick vielleicht nachdenklich. Auf jeden Fall bietet die Medienwelt unzählige Gelegenheiten für eine angeregte Unterhaltung.
Damit es dabei nicht zu trocken zugeht, gibt es parallel zum Gequatsche eine exquisite „Bottle-Party“. Das heißt konkret, jeder Mitstreiter bringt ein Getränk seiner Wahl mit zur Sendung und wir verkosten dieses während wir unsere Presse-Fundstücke diskutieren. So bekommt der Name „Voll in die Presse“ eine ganz neue Bedeutung. Aufgenommen wird das Ganze im Benanza-Bus, unserem fahrenden Ton-Studio. Das literarische Quartett von VIDP besteht aus den Herren Sammer, Beef Rogers, Prollo Ferrari und dem Gastgeber Ben Cartwright.
Eine Produktion von Benanza.Podcast. Mehr Infos unter https://www.benanza.de/category/podcast/voll-in-die-presse/
Kontakt & Mehr
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